Zum Schutz der Frauen vor Waffengewalt: Breite Allianz macht mobil gegen die Wiedereinführung von Taschenmunition für Armeeangehörige
Armeewaffen mit Munition wieder zu Hause im Schlafzimmer? Was längst überwunden schien, soll jetzt wieder eingeführt werden, wenn es nach der Mehrheit der zuständigen Ständeratskommission geht. Dies ausgerechnet in einem Jahr mit einem tragischen Höchststand an 28 Femiziden in der Schweiz. Gegen die Motion hat eine überparteiliche Allianz aus Frauenorganisationen und der Ärzteschaft eine Petition lanciert und innert kürzester Zeit über 13’000 Tausend Unterschriften gesammelt.
Morgen Mittwoch, 3. Dezember, entscheidet der Ständerat über die Motion 25.3628 Salzmann, welche fordert, dass die Taschenmunition den Armeeangehörigen wieder mit nach Hause gegeben wird. Eine Forderung, welcher der Bundesrat bereits eine Absage erteilt hat. Nun appelliert eine überparteiliche Allianz, bestehend aus alliance F, BPW Switzerland, FMH (Berufsverband der Schweizer Ärztinnen und Ärzte), Frauenbund Schweiz, femmes protestantes, Frieda und Schweizerischer Bäuerinnen und Landfrauenverband mittels einer Petition an den Ständerat, die gefährliche Motion entschieden abzulehnen.
Die vorberatende, ständerätliche Kommission (SIK-S) spricht in ihrer Begründung von einer Steigerung der Sicherheit, der Verteidigungsfähigkeit und des Wehrwillens der Armeeangehörigen. Viel wahrscheinlicher als der Einmarsch einer fremden Armee in die Schweiz hingegen ist ein Anstieg der häuslichen Gewalt, des Drohpotentials und der Suizide in unserem Land!
In Gefahr – ein Kompromiss zum Schutz vor Waffengewalt
2007 beschloss das Parlament, dass Soldaten keine Patronen mehr mit nach Hause nehmen. Dies nachdem zahlreiche tragische Suizide und Femizide mit Armeewaffen begangen wurden. So wurde z.B. die bekannte Skirennfahrerin Corinne Rey-Bellet 2006 durch ihren Schweizer Ehemann mit der Armeewaffe getötet, ebenso ihr Bruder und ihr ungeborenes Kind. Der Täter beging anschliessend Suizid.
Das Einstellen der Heimabgabe von Taschenmunition war der Kompromiss, der im Rahmen der umfassenden Diskussion zum Schutz vor Waffengewalt und im Kontext der weiterreichenden Waffenschutzinitiative getroffen wurde. Die Argumente für den Kompromiss haben mehr denn je Gültigkeit:
Keine militärische Notwendigkeit: Käme es zu einer Mobilmachung, würde die Munition am Mobilisierungsort verteilt werden. Es gibt keine Notwendigkeit mehr, Patronen in privaten Haushalten zu lagern – die Armee ist so organisiert, dass sie Munition zentral, sicher und dennoch schnell bereitstellen kann. Auch der Bundesrat ist dieser Meinung und empfiehlt, die Motion abzulehnen – die Motion erhöht die Verteidigungsfähigkeit nicht.
Weniger Suizide: Die Suizide von Männern mit Armeewaffen gingen nachweislich und signifikant zurück, seit Soldaten keine Waffen und Munition mehr mit nach Hause nehmen, belegt eine umfassende Untersuchung nach der Armeereform 2003 (Reisch et al. (2013).
Die Studienlage für die Schweiz zeigt ausserdem einen signifikanten Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Waffen und Munition in Privathaushalten, und der Anzahl von mit Schusswaffen begangenen Suiziden, sowie Körperverletzungen und Tötungsdelikte an Frauen (Killias et al. 2001).
Die psychologische Untersuchung bei der Rekrutierung und für die Abgabe einer Armeewaffe ist eine Momentaufnahme und schützt nicht vor Missbrauch der Armeewaffe. Bei Delikten und Tötungen im häuslichen Bereich mit Schusswaffen wiesen die Täter seltener psychische Auffälligkeiten auf als bei anderen Delikten oder Tatwaffen. Weniger als 40% der Täter waren psychisch auffällig vor der Tat (Universität St. Gallen, Tötungsdelikte mit Schusswaffen im häuslichen Bereich, 2025, S.36-38). Das zeigt: Nicht die Labilität ist entscheidend, ob eine Armeewaffe zu einer Tatwaffe wird. Sondern Eifersucht, verletzter Stolz und Trennungen sind Motive, welche zu Tötungsdelikten im häuslichen Bereich mit Schusswaffen führen.
Die geplante Wiedereinführung der Taschenmunition bringt Frauen und Kinder in den eigenen vier Wänden akut in Gefahr: Waffen werden indirekt als Drohmittel oder direkt zur Einschüchterung gegen Frauen und Kinder eingesetzt. Seitdem die Taschenmunition nicht mehr zu Hause gelagert wird, sind Frauen und Kinder nicht mehr der ständigen Drohung ausgesetzt, welche im schlimmsten Fall tödlich endet (Botschaft des Bundesrates (2009) zur Volksinitiative «Für den Schutz vor Waffengewalt», Seite 157, Kapitel 5.2 «Auswirkungen auf häusliche Gewalt»).
Das eigene Zuhause ist erwiesenermassen der tödlichste Ort für Frauen. Die überparteiliche Allianz und tausende von Unterzeichnenden zeigen mit dieser Petition Haltung – gegen Waffengewalt an Frauen, gegen Femizide und Suizide.