Schutz vor Gewalt und patriarchalen Strukturen

Frauen sind viel zu oft in ihren nahen Beziehungen Gewalt und patriarchalen Strukturen ausgesetzt. Alle 2 Wochen wird in der Schweiz eine Frau durch ihren (Ex-)Mann, (Ex-)Partner, Bruder oder Sohn getötet. Jede Woche überlebt eine Frau einen solchen Tötungsversuch. Die Ursachen der patriarchalen Gewalt liegen wesentlich im Machtungleichgewicht und in der fehlenden Gleichstellung der Geschlechter. Es braucht Aufklärung, Prävention, Beratungsangebote – diese müssen finanziert werden – und es braucht neue Straftatbestände, beispielsweise zum Stalking. Darüber hinaus gilt es, patriarchale Strukturen unermüdlich zu benennen, sichtbar zu machen und zu bekämpfen – sei es in der Kirche, im Sport, in der Kultur oder im Kontext von Migration und Einbürgerung. 

Insbesondere auch gilt es die Existenz und ausreichende Finanzierung der Frauenhäuser sicherzustellen. Zurzeit gibt es in der Schweiz 23 Frauenhäuser mit 200 Familienzimmern und rund 400 Betten. Das reicht bei Weitem nicht aus: Im letzten Jahr suchten rund 2400 Frauen und Kinder Schutz in einem Frauenhaus. Der Europarat empfiehlt ein Angebot von einem Zimmer pro 10’000 Einwohner; die Schweiz unterschreitet die Empfehlung mit 0,23 Familienzimmern pro 10’000 Einwohner deutlich. Die Finanzierung entspricht nicht dem Schutzprinzip, sondern dem «Leistungsprinzip», indem sie abhängig von der Anzahl Schutz suchender Menschen gesprochen wird. 

Heutiger Stand

  • Am 1. April 2018 trat das erste rechtlich bindende Instrument in der Schweiz in Kraft, das Frauen umfassend vor jeglicher Gewalt schützen soll: die Istanbul-Konvention. Die Beseitigung von Gewalt an Frauen und Mädchen – einschliesslich des Menschenhandels – entspricht zudem dem Ziel 5.2 der Agenda 2030 der UNO. Trotz Abkommen bleiben die Zahlen von häuslicher Gewalt und Femiziden in der Schweiz unvermindert hoch.

  • alliance F forderte mit ihrem Gleichstellungslegislaturprogramm 2019–2023, die offizielle Legislaturplanung 2019–2023 um einen nationalen Aktionsplan zur Verminderung jeglicher Gewalt an Frauen zu ergänzen und Massnahmen vorzusehen, die geeignet sind, um die Gewalt an Frauen und die häusliche Gewalt innerhalb von vier Jahren zu halbieren. Sie forderte ebenfalls, die dafür notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen. 

  • Diese Forderung konnte dem Bundesrat im Rahmen der Legislaturplanung 2019–2023 (19.078) mittels Mehrheiten in beiden Räten in Auftrag gegeben werden (neues Ziel Nr. 42: «Verabschiedung eines nationalen Aktionsplans zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention)»). 

  • Die Frauensession 2021 hat mit einer Petition (21.2045) an die Räte wie folgt nachgedoppelt: «Sensibilisierung für und Prävention von geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum» und bittet das Parlament, den Bundesrat zu beauftragen, wiederkehrende nationale Sensibilisierungs- und Präventionskampagnen zu geschlechtsspezifischer Gewalt und Gewalt im sozialen Nahraum zu lancieren. Die Kampagnen sollen mindestens einmal pro Jahr und regional, kantonal sowie national durchgeführt werden. Die Kampagne soll diskriminierungsfrei, zum Beispiel in Bezug auf Frauen mit Behinderungen, durchgeführt werden. Für den Aufbau, die Konzeptualisierung und die Durchführung der Kampagnen ist die Zusammenarbeit mit Menschenrechtsinstitutionen, Gleichstellungsorganen, der Zivilgesellschaft und nichtstaatlichen Organisationen anzustreben. 

  • Die Forderungen wurden mit den Motionen 21.4418 von Marianne Maret und 21.4471 von Tamara Funiciello «Präventionskampagnen gegen Gewalt» – übernommen und mit einer Ratsmehrheit an den Bundesrat überwiesen.  

  • Zudem wurde die Einrichtung eines 24-Stunden-Beratungsangebots für von Gewalt betroffene Personen (in Erfüllung der Motion 20.4451 von Tamara Funiciello, der Motion 20.4452 von Susanne Vincenz-Stauffacher und der Motion 20.4463 von Eva Herzog gefordert, das umgesetzt werden sollte. 

  • Die überparteilichen Vorstösse (parlamentarische Initiative 21.513 von Min Li Marti, 21.527 von Kathrin Bertschy, 21.522 von Lilian Studer, 21.516 von Sibel Arslan, 21.515 von Jacqueline de Quattro, 21.514 von Marianne Binder-Keller), Geschlecht in Artikel 261 bis StGB aufzunehmen, also geschlechtsspezifische Hassaufrufe strafbar zu machen, wurden im Ständerat gestoppt. 

Legislaturziele

  • Wir fordern mit Nachdruck die Umsetzung und Finanzierung der überwiesenen Forderungen (Präventionskampagnen und 24-Stunden-Beratungsangebot) und nutzen dazu die politischen Instrumente in National- und Ständerat. 

  • Wir nutzen die politischen Instrumente in Bund und Kantonen (Motionen), um eine nachhaltige Finanzierung der Frauenhäuser, Opferberatungsstellen und Täterarbeit via einen Fonds oder einen Finanzierungsschlüssel mit Beteiligung von Bund und Kantonen sicherzustellen. 

  • Wir fordern und unterstützen einen eigenen Straftatbestand für Stalking (parlamentarische Initiative 19.433) und nutzen die uns verfügbaren politischen Methoden und Taktiken, um die Gesetzesänderung in den Räten zu verabschieden. 

  • Wir benennen patriarchale Strukturen in Kirche, Sport und Kultur und bekämpfen diese, indem wir a) verbindliche Schutzkonzepte und b) die Besetzung der Leitungsgremien mit einem Geschlechteranteil verlangen und staatliche Mittel und Subventionen dieser Institutionen von der Erreichung der beiden Erfordernisse abhängig machen. 

  • Wir setzen uns ein für einen nationalen Aktionsplan gegen Hate Crimes aufgrund von Identitätsmerkmalen. 

  • Wir setzen uns dafür ein, dass in Einbürgerungsverfahren die Integration und Einbürgerung allfälliger Ehefrauen und Töchter als Kriterium etabliert wird, damit sich die Einbürgerung nicht auf männliche Familienmitglieder beschränkt und so Abhängigkeitsverhältnisse zementiert werden. 

  • Wir setzen uns ein für die Umsetzung des Artikels 59 der Istanbul-Konvention, die gewaltbetroffenen Frauen in der Schweiz Schutz gewährt. 

  • Wir lassen auf dem Postulatsweg die Geschlechterverhältnisse im Asylwesen monitoren und prüfen. 

  • Wir prüfen die Option, uns für die Wiedereinführung des Botschaftsasyls einzusetzen, da dieses eine Flucht für gefährdete Frauen und Kinder erleichtert. 


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